Lebensmittelentkeimung durch gepulstes Licht: Was sagt die ANSES?

Date : Publié par Tags: , , , , ,

Einleitung

"Lass die Nahrung deine Medizin sein", sagte Hippokrates (460‑370 v. Chr.). Seither hat sich die menschliche Ernährung stark verändert: Farbstoffe, Konservierungsmittel, Alkohol, Pestizide... Die Haltbarkeitsdauer wird immer länger, die Herstellung von immer raffinierteren Produkten stützt sich zumeist auf Chemie. Welche Alternativen gibt es?

Die für Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und Arbeitsschutz zuständige Behörde in Frankreich (ANSES: Agence Nationale de SEcurité Sanitaire de l’alimentation, de l’environnement et du travail) hat die Aufgabe, die Risiken abzuschätzen, um anschließend "die staatlichen Organe zu informieren und bezüglich ihrer Gesundheitspolitik zu beraten". Auf europäischer Ebene ist es die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA: European Food Safety Authority), welche mit der Abschätzung der Risiken bezüglich der Sicherheit der Lebensmittel für Mensch und Tier beauftragt ist. In jedem EU‑Mitgliedstaat gibt es Einrichtungen, die die Arbeit der EFSA tatkräftig unterstützen. 

So wurde die französische ANSES bereits des Öfteren mit der Untersuchung der Pulsed‑Light‑Technologie im Hinblick auf die Konservierung und Entkeimung von Lebensmitteln betraut. Diese Studien zeigen das Interesse, die Wirksamkeit und die Vorteile der PL‑Technologie im Lebensmittelbereich (Backwaren, Gemüse, Eier).

Les produits de panification

Im April 2016 informierte die französische Vereinigung der Backbetriebe (FEB: fédération des entreprises de boulangerie) die Handelsunternehmen des Konsumgüterbereichs über das neue europäische Gesetz bezüglich Alkohol als Konservierungsmittel und natürlichen Aromazusatzstoff in Backwarenrezepten.

In diesem Schreiben wird Folgendes vermerkt: "Wenn Alkohol nach dem Backprozess als zusätzlicher Aromastoff hinzugefügt wird, so muss in der Liste der Zutaten des Endprodukts darauf hingewiesen werden, es sei denn, der Hersteller kann anhand von entsprechenden Tests beweisen, dass der verwendete Alkohol keine Konservierungsrolle in der Produktion trägt. [...] In Hinblick auf eine korrekte Information der Konsumenten empfiehlt die Gewerkschaft der Backwarenfabrikanten folgende Angabe auf dem Verpackungsetikett: Aroma (beinhaltet Alkohol)".

 

Produktplanung, Brotherstellung

     

Die ANSES beschäftigte sich seit 2007 mit dem gepulsten Licht (PL). Nach Abschluss der Untersuchungen wurde die PL‑Technologie als Entkeimungsmethode für Backwarenoberflächen (z.B. von Toastbrot) zugelassen. Die Höchtfluenz bei der Behandlung wurde auf 3J/cm² festgelegt. Während jedoch im ersten Bericht aus dem Jahr 2007 noch darauf hingewiesen wird, dass einige Tests auf Aspergillus niger (heute Aspergillus brasiliensis genannt) und Pichia anomala durchgeführt wurden, finden die Bakterienstämme in den folgenden Berichten keine Erwähnung mehr. Dabei sind die Referenzkeime natürlich von Bedeutung, hängt doch der erzielte Entkeimungsgrad von den Keimtypen ab.

Dank der ANSES‑Studie erhielt die PL‑Entkeimungstechnologie die offizielle Zulassungsbescheinigung (Fluenz‑Obergrenze 3J/cm²). Der industriellen Herstellung und Kommerzialisierung stand nun nichts mehr im Weg.

Die zur Reinigung von Gemüse verwendeten Spülwässer

Die zur Reinigung von Gemüse verwendeten Spülwässer werden haltbar gemacht durch Appertisation, ein Konservierungsverfahren durch Hitzeanwendung. Laut dem diesbezüglichen Bericht der ANSES herrscht in den Konservenfabriken klarstes Bewusstsein darüber, dass es sich dabei um einen "kritischen Punkt" handelt... Es sammeln sich nämlich hier wärmeliebende mikrobielle Floren, deren Sporen sich als hochresistent gegenüber Hitze erweisen.

Das Ziel der ANSES‑Studien war es, die Spülwässer weniger oft erneuern zu müssen – und dadurch Energie und Kosten zu sparen. Insofern würde sich die Abtötung zahlreicher thermoresistenter Keime durch gepulstes Licht als eine sowohl ökonomische, als auch ökologische Lösung auszeichnen.

 

Gemüsewäsche und -desinfektion

 

Die Testversuche wurden mit folgenden Keimen durchgeführt: Thermoanaerobacterium (Thm), Geobacillus stearothermophilus (Gst) sowie Moorella thermoacetica (Mta). Diese Bakterienstämme, insbesondere der Geobacillus stearothermophillus, sind resistent gegenüber hohen Temperaturen wie auch gegenüber Chemikalien (Peressigsäure). Das Hauptaugenmerk der Studie galt folglich dem Geobacillus stearothermophillus.

Bei den statischen Tests wurde mit zwei Impulsionen eine Keimreduktion von 2,5 bis 4,2 log erreicht. Allerdings wird die Validität der Resultate im Artikel infrage gestellt aufgrund nicht ausreichender Daten. Außerdem hatte die Prüfung mit drei verschiedenen Rohrdiametern keine Unterschiede in den Resultaten ergeben.

Die dynamischen Testverfahren erzielten die in der nachfolgenden Tabelle aufgelisteten Resultate:

 Température du BainDébit (l/min)Fréquence de flash (Hz)Fréquence de flash (Hz)Diamètre du tube (mm)Contamination initiale et germeRéduction Log
Eau du réseau75°C70‑80°CN.C.N.C.40 et 60 < 4 log UFC/ml
Thm, Gst, Mta
3
Eaux de bain de blanchiment70‑80°C10 ou 15N.C.440 et 60 Usine 1 :  3,5 log UFC/ml (Gst)
Usine 2 : 2,4 log UFC/ml (Gst)
1

Wie der Tabelle zu entnehmen ist, ergaben die dynamischen Tests andere Resultate als die statischen. Waren die industriellen Durchflussmengen, die Lampengröße, die Impulsfrequenz tatsächlich in der Lage, die Gesamtheit der Flüssigkeit zu behandeln? Die ANSES zieht die Schlussfolgerung, dass die Testverfahren im Industriebereich erneuert werden müssen: Um die Effizienz der Behandlung nicht nur im Statischen, sondern auch im Dynamischen zuverlässig zu bestimmen, muss ein Experimentationsprogramm durchgeführt werden, welches auch die Trübung der industriellen Flüssigkeiten berücksichtigt.

Es wurden schließlich auch chemische Untersuchungen realisiert, um sich der Ungefährlichkeit der Anwendung von gepulstem Licht zur Entkeimung der Spülwässer zu vergewissern: Protein- und Zuckergehalt, Produkte der Maillard‑Reaktion. Zur Information: Die Produkte der Maillard‑Reaktion bilden sich durch Kochen von Lebensmitteln. Diese Reaktion entspricht der Aktion, die Zucker auf den Proteinen bewirkt. Die Derivate der Maillard‑Reaktion sind die CML bzw.  Acrylamide, welche als Krebserreger gelten.

Die vorgenommenen Analysen zeigen, dass die Behandlung mit gepulstem Licht, egal welcher Stärke, (bis zu 36J/cm²!) diesbezüglich keine Auswirkungen hat: Protein- und Zuckergehalt blieben unverändert, und es wurde auch kein Derivat der Maillard‑Reaktion festgestellt.

 

Eier

In den meisten europäischen Ländern wird Formaldehyd zur Desinfektion der Eier verwendet. 2008 wurde Formaldehyd jedoch als ein Krebserreger 2. Klasse eingestuft, weiters als ein Toxikum der 3. Kategorie, mit hautätzender (Kategorie 1B) beziehungsweise hautsensibilisierender (Kategorie 1) Wirkung.Nachdem die ANSES sich mit einem diesbezüglichen Ansuchen an die European Chemical Agency (ECHA) gewandt hatte, wurde das Formaldehyd 2014 in die Klasse 1B der Krebserreger eingereiht. Die chemische Substanz gilt damit fortan nicht mehr nur als "wahrscheinlich karzinogen beim Menschen", sondern als "Substanz, deren karzinogene Wirkung für den Menschen aufgrund von Tierversuchsdaten angenommen wird".

 

Ei-Dekontamination

 

2012 hatte die ANSES einen Artikel veröffentlicht, in dem sie "anstelle des karzinogenen Formaldehyds andere, im Kampf gegen Salmonellen genauso effiziente und die Verbraucherschutz‑Regeln respektierenden Lösungen für die Desinfektion der Eier in den Brut- und Legestätten" vorschlug.

Von den 13 befragten Ländern reagierten 2 nicht auf die Aufforderung, die von ihnen verwendeten Desinfektionsmethoden darzulegen; ein Land verfügt gar nicht über Brutstätten und hat folglich keine Erfahrung in dem Bereich, 7 Länder benutzen Formaldehyd, und 3 nannten chemische Alternativlösungen.

Unter den chemischen Alternativen zum Formaldehyd findet man Wasserstoffperoxid, das auch zur Desinfektion von Lebensmittelverpackungsmaterial verwendet wird, sowie die chlorhaltigen Produkte, welche auch zur Entkeimung von Obst und Gemüse gebraucht werden. Die anderen chemischen Substanzen, die zum Einsatz kommen, haben gegenüber dem Formaldehyd eine schwächere Entkeimungsleistung. Dies gilt für die Iodprodukte, Ozon, Chlordioxid, quaternäre Ammoniumverbindungen, Phenole, Glutaraldehyd. Der Vorteil  des Peroxids und der chlorhaltigen Produkte liegt in dem Umstand, dass es, ganz anders als bei Formaldehyd, keine unerwünschten Nebenwirkungen auf Eier und Küken gibt. Nichtsdestotrotz handelt es sich dabei um Chemikalien, die toxisch und hautschädigend sind.

Die einzige nicht‑chemische Alternative mit der Effizienz von Formaldehyd ist die UV‑Licht- Bestrahlung, und zwar allen voran das gepulste Licht. Es herrscht derzeit noch ein Mangel an verbindlichen Forschungsdaten. Eine beschränkte Bestrahlungsdauer, eine kaum erhöhte Temperatur, und eine effiziente Enkeimung... alle Parameter sind erfüllt! Um sich weitläufig  durchsetzen zu können, fehlt dieser technologischen Innovation nur noch ein konkurrenzfähiges Preisangebot.

Abschießende Worte

Die Entkeimung durch gepulstes Licht besitzt zahlreiche Vorteile im Lebensmittelbereich. Angesichts ihres hohen Leistungspotenzials stellt die PL‑Technologie eine lohnenswerte Investition dar, und zwar insbesondere im Hinblick auf die zahlreichen Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre (beispielsweise Salmonellen und Listeria). In der Tat ist es nur allzu wahrscheinlich, dass bald auch andere Nahrungsmittel von der ANSES überprüft werden. Die Zukunftsperspektiven der PL‑Technologie stimmen also optimistisch!

Quellen

Site de l’ANSES http://www.anses.fr
http://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/assets/art36listg.pdf

http://www.sitefeb.com/a-propos-des-alcools-support-daromes/

https://www.anses.fr/fr/system/files/AAAT2007sa0399.pdf

https://www.anses.fr/fr/system/files/MIC2006sa0318.pdf

https://www.anses.fr/fr/system/files/MIC2006sa0318.pdf

https://www.anses.fr/fr/system/files/ESPA2016SA0113.pdf

https://tel.archives-ouvertes.fr/tel-01104210/document

Règlement CE n° 1272/2008 du 16 décembre 2008 relatif à la classification, à l’étiquetage et à l’emballage des substances et des mélanges

Règlement (UE) n° 605/2014 du 5 juin 2014

https://www.anses.fr/fr/system/files/SANT2011sa0234-2.pdf